Heinrich Nauen ist einer der bedeutenden Künstler des sogenannten "Rheinischen Expressionismus" (einer Namensschöpfung von August Macke als Titel einer Ausstellung in Köln 1913).
Geboren wurde Heinrich Nauen im Jahre 1880 in Krefeld als Sohn einer Bäckersfamilie. Schon früh – so wird berichtet – war seine zeichnerische Begabung erkennbar und mit der Präsentation seiner künstlerischen "Versuche" wurde er schon im Alter von 18 Jahren als Student an der Kunstakademie in Düsseldorf angenommen. Die Familie scheint darüber weniger glücklich gewesen zu sein als er, denn damals hatte das Handwerk noch den berühmten „goldenen Boden“, während ein Leben von und mit der Kunst einer „brotlosen Zunft“ zugeordnet wurde.
Heinrich Nauen setzte sich durch – Lehr- und Wanderjahre führten ihn zum damals berühmten Maler Graf Kalckreuth nach Stuttgart, in das flandrische Künstlerdorf Sint Martens-Latem bei Gent und schließlich auch in den künstlerischen Nabel der Welt nach Paris, wo er sich mit dem Impressionismus und der revolutionären Malweise von van Gogh auseinandersetzte. Es zog ihn weiter zur Avantgarde nach Berlin – dort freundete er sich mit Emil Nolde an und arbeitete mit Max Beckmann - prominente Namen säumen seinen künstlerischen Weg , den er sehr bewusst und zielsicher ging.
Es war die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, in der die heutige „Moderne“ fast verborgen heranreifte, immer wieder mit sich selbst und mit Kollegen reflektierend, oftmals in Ateliergemeinschaften arbeitend und fast sendungsbewusst Neues kreierend. Es zog ihn 1911 wieder zurück in seine niederrheinische Heimat und hier stieß er auf die beiden Vettern August und Helmuth Macke und fand in ihnen kongeniale Freunde. Mit 25 Jahren hatte er die künstlerisch ambitionierte Marie von Malakowski
aus preussisch-polnischem Adel geheiratet – eine Ehe, die trotz mancher Krisen bis zum Schluss hielt.
Im Jahre 1921 wurde Heinrich Nauen zum Professor an seiner ehemaligen Akademie in Düsseldorf bestellt – 16 Jahre arbeitete er künstlerisch und lehrte kunstakademisch – er hat das vorgelebt, was manchen Künstlern heute fehlt: seine frühe, fulminante zeichnerische Begabung an der Kunstakademie geschult und gereift , im Wissen um sein Können neue Wege gesucht und beschritten und öffentlich entwickelt, bis ihn die Nationalsozialisten mit ihrem rückwärtsgewandten Kunstverständnis aus dem Amt jagten und seine Werke verfemten. Allein der Begriff „verfemen“ kennzeichnet die zerstörerische Art, mit der die Nazis anderes Denken und Handeln verfolgten.
Er lebte und arbeitete in den 20er-und 30er Jahren künstlerisch außerordentlich fruchtbar auf Schloss Dillborn bei Brüggen.
Ein Jahr nach seiner Zwangs-Emeritierung fand er in Kalkar menschliches und künstlerisches Asyl. In einem Brief drückt Nauen dies so aus: "In Kalkar haben wir eine neue Heimat gefunden".
Es war in Kalkar, am heutigen "Gerd-Janssen-Platz" im Hause des vormaligen Klavierfabrikanten Neuhaus, wo die jüngste, unverheiratete Tochter Ada Neuhaus eine Wohnung mit Atelier und mit einem zauberhaften Blick in den Garten und auf den historischen Taubenturm vermietete. Sie begründete damit eine Tradition, in der sich nacheinander Heinrich Nauen mit Familie (1938-1942), Hermann Teuber mit Familie (1943-1949) und danach Alfred Sabisch reihten und künstlerisch arbeiteten. Dieses Haus und der Garten werden im Rahmen der Ausstellung an bestimmten Tagen mit besonderen Führungen zur Besichtigung und zum Besuch angeboten.
Nauen setzte in Kalkar seine Maltätigkeit fort, allerdings schimmert hier (Bsp. "Hochwasser am Niederrhein", "Hegautanne") ein melancholischer Grundton mit, der seine Stimmung widerspiegelt. Er war - sicherlich auch auf Grund seiner beruflichen Enttäuschungen - gesundheitlich angeschlagen; trotzdem war er schnell in Kalkar zuhause und pflegte mit Kalkarer Bürgern ein fast täglich praktiziertes geselliges Zusammensein in der berühmten Kneipe von Scholl, in welcher reichlich ausgeschenkt und manchmal zur Freude der Gäste nicht abgerechnet wurde.
Was aber ganz verwunderlich ist: Nauen verkaufte auch hier in Kalkar in dieser Zeit seine Arbeiten, auch Marie von Malakowski-Nauen arbeitete hier weiter: ein Bild aus ihrer Kalkarer Zeit ist als Leihgabe in dieser Ausstellung zu sehen.
Wie schon angedeutet, spiegelt sich manchmal die Stimmung Nauens infolge seiner wechselnden Lebensumstände in seinen Werken wieder: Die Grafiken noch in altmeisterlicher Art aus Flandern, die zaghafte und doch deutliche Hinwendung zum Expressionismus mit seiner kristallin gebrochenen Urform, seine seelische Emotion bei einem Besuch auf Juist, wo seine Kinder im Internat untergebracht waren, seine künstlerische Ausreifung in den Kalkarer Jahren.
1940 starb Heinrich Nauen, er ist mit seiner 1942 verstorbenen Frau in Kalkar begraben und sein Grabstein ist wie ein künstlerisches Vermächtnis, welches eigentlich noch gar nicht bekannt ist: Heinrich Nauen war der erste Künstler der Moderne am "unteren, linken Niederrhein", sein Nachfolger in Wohnung und Atelier war Hermann Teuber, der Entdecker von Josef Beuys und der (im Kalkarer Museum befindliche) Grabstein von Nauen wurde von Ewald Matare und Josef Beuys angefertigt. Es ist beruhigend, zu wissen, dass alle drei Künstler bei uns eine hervorragende Würdigung in Kleve, Moyland und Kalkar erfahren.
Der Verein der Freunde Kalkars ist stolz darauf, seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Hilfe von Freunden, Gönnern und auch mit staatlicher Förderung eine beachtliche Sammlung mit Werken von Heinrich Nauen zusammengetragen zu haben. Diese Sammlung gereicht dem städtischen Museum zur Ehre - und der Verein ist auch stolz darauf, das diese Ausstellung mit Leihgaben verschiedener Sammler und Leihgeber angereichert und vervollständigt werden konnten.
Die Ausstellung wird am Sonntag, 12. Mai 2013 um 12 Uhr eröffnet; den einführenden Vortrag hält die international bekannte Leiterin des August-Macke-Hauses in Bonn und die Autorin des Werkverzeichnis von Heinrich Nauen, Frau Dr. Klara Drenker-Nagels.
(Karl-Ludwig van Dornick) |